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Die gezielte und systematische Auseinandersetzung mit Unternehmensprozessen ist mehr als nur Mittel zum Zweck. Die umfassende Kenntnis über Kernprozesse, Werttreiber und prozessinhärente Risiken hilft, die Ablauforganisation effizient auszurichten, operationelle Risiken zu identifizieren und kontinuierlich zu verbessern. Unternehmen sehen sich oft damit konfrontiert, die Balance aus Pragmatismus, Vollständigkeit und erforderlichem Detailniveau zu finden. Letztendlich geht es darum, die unternehmenseigenen Ressourcen bestmöglich zu allokieren. In dieser Blog-Reihe stellen wir Ihnen unsere Erfahrungen und Leitlinien aus dem Bankenumfeld vor. Sie basieren auf einer erfolgreichen Kooperation zwischen der MEGA Hopex als Systemanbieter und der DCP Deutsche Consulting Partner als Fach- und Managementberatung.

Erster Schritt − Bestimmung der Prozessreife  

Ausgangspunkt ist oft zunächst eine Standortbestimmung hinsichtlich der Prozessreife. Unser Reifegradmodell beruht auf Best Practices aus einer Vielzahl von Projekten im Bankenumfeld und wurde in Anlehnung an etablierte Standards selbst entwickelt. 

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Kernelemente der Process Governance 

Das systematische Management von Geschäftsprozessen benötigt ein festes Rahmenwerk.  Die Process Governance  legt Standards fest und regelt Verantwortlichkeiten und allgemeingültige Verfahren im Unternehmen. 

Welches sind die maßgeblichen  Kernelemente und welche Herausforderungen sind mit ihnen verbunden? 

1. Die Prozessarchitektur

Die Prozessarchitektur kann man als übergreifende Landkarte verstehen, die die in einem Unternehmen gelebten Prozesse, Beziehungen zueinander sowie die Rollen und Verantwortlichkeiten definiert. 

Kern der Prozessarchitektur bilden die Produktprozesse entlang der Wertschöpfungsketten unterstützt von Support- und Managementprozessen. Es hat sich bewährt, die Prozessarchitektur Top-Down zu entwickeln, wobei die unterste Architekturebene den Flow-Chart eines Teilprozesses mit der Beschreibung einzelner Aktivitäten enstpricht. Die Anzahl der Ebenen für das jeweilige Unternehmen kann limitiert werden. Eine Tiefe von vier bis maximal fünf Ebenen (Prozesslandkarte > Hauptprozess > 1. Teilprozessebene > ggfs. 2. Teilprozessebene > Flow-Chart) stellt eine gutes Basis dar. Durch den Rückgriff auf Best Practices anderer Banken und der Dachverbände ist die Anwendung von etablierteren Standards gewährleistet und zugleich wird den Prüfungserwartungen der Bankenaufsicht entsprochen. 

 2. Die Prozessdokumentation:

Die Dokumentation der Geschäftsprozesse umfasst neben der eigentlichen Ablaufbeschreibung auch Richtlinien, Verfahren und Arbeitsanweisungen, so dass Prozesse konsistent gelebt werden und den relevanten Gesetzen und Vorschriften entsprechen. Hier hat sich die BPMN 2.0-Notation als allgemein verständlicher und branchenübergreifender Standard etabliert. Die prozessuale Ablaufbeschreibung wird mitunter mit einer Arbeitsplatzbeschreibung oder gar einer „Klickanleitung“ gleichgesetzt. Dies führt unweigerlich dazu, dass die Anzahl an Prozessdarstellungen exponentiell nach oben schnellt. Eine solche Überfrachtung ist nicht empfehlenswert, da sie viel zu detailliert und pflegeintensiv ist.  
Vielmehr sollten bei der Aufstellung der Governance zur Prozessdokumentation stets eindeutige und verständliche Vorgaben zu Umfang (z.B. maximale Anzahl an Aktivitäten pro Prozessmodel) und Dokumentationstiefe im Sinne von Prozessebenen gemacht werden. Erstes Ziel muss es sein, mit einer überschaubaren Prozessdokumentation zu starten, welche die komplette Breite aller Unternehmensprozesse abbildet. Eine spätere Detaillierung in die Dokumentationstiefe ist einfacher, als einen einmal entstandenen Wildwuchs wieder einzufangen. 

DCP Blog Banner Teil 2.png

 3. Festlegung der Prozessverantwortung:

Die Prozessverantwortlichen haben die Aufgabe, die zugewiesenen Prozesse zu verwalten, zu optimieren und sicherzustellen, damit sie sowohl effektiv als auch effizient sind und den relevanten Gesetzen und Vorschriften entsprechen. 

Nach unserer Erfahrung hat es sich bewährt, zwischen einer operativen Verantwortung für die Aktualisierung und Pflege sowie der Ergebnisverantwortung auf Managementebene zu unterscheiden. Das Thema Prozessverantwortung birgt zudem automatisch einen Konflikt: Banken sind – nicht zuletzt aufgrund der regulatorischen Funktionstrennung – in der Regel in einer aufgabenorientierten Linienorganisation aufgestellt. Nach diesem System erfolgt auch die Steuerung, Zielsetzung und Incentivierung. Hierzu steht die End-to-End Ablauforganisation im direkten Gegensatz: Der Kreditprozess zum Beispiel geht vom Markt über das Backoffice, die Kreditanalyse, das Risikomanagement bis hin zur Sanierung und der Kreditabwicklung. Um diesen Konflikt aufzulösen, muss gezielt nach den Schnittmengen von Prozessverantwortung von Teilprozessen und Linienverantwortungen im Unternehmen gesucht werden, da sich bestenfalls Linien- und Prozessziele gegenseitig begünstigen. Für die End-to-End-Verantwortung und -Steuerung von Hauptprozessen, wie dem Kreditprozess mit vielen beteiligten Unternehmensbereichen, bietet sich die die Etablierung eines Prozess-Boards an. Um das Board mit der nötigen Entscheidungskompetenz auszustatten, sollte die Besetzung auf Ebene Bereichsleitung/Managing Director erfolgen. 

Practical guide Protect your digital assets with an IT compliance strategy (12).png

Praxisbeispiel 

Bei einem unserer Kunden hatte es in der Vergangenheit bereits mehrere Initiativen gegeben, die Unternehmensprozesse mit wenigen Vorgaben und Leitlinien dezentral zu dokumentieren. Dies hatte zur Folge, dass die Prozessdokumentationen und die zum Prozess gehörenden Informationen sehr unterschiedlich erfasst wurden, keinem einheitlichen Standard entsprachen und letztlich nicht die regulatorischen Anforderungen erfüllten.  
Gemeinsam mit dem Kunden entwickelten wir daher zunächst ein auf die spezifischen Bedürfnisse abgestimmtes Rahmenwerk für das Prozessmanagement und die Prozessdokumentation, welches sich im weiteren Verlauf und mit zunehmender Reife der Organisation weiterentwickelte. Auf Basis des Rahmenwerks wurden anschließend sämtliche Prozesse in einem zentralen Tool (neu) erfasst – in einheitlicher Qualität und im Einklang mit den regulatorischen Vorgaben. Hierbei fungierten die Consultants von DCP in den Workshops zur Prozessdokumentation einerseits als Modellierer und – durch ihr tiefgehendes bankfachliches Know-How – andererseits als Sparringspartner für die Fachbereichsvertreter des Kunden. 

Operative Erfahrungen  

Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass die Prozess-Governance zwar den strukturellen Ordnungsrahmen darstellt,  als solche jedoch wenig operativ ist. Trotzdem wird an dieser Stelle die Grundlage für die Implementierung eines Prozessmanagements im Unternehmen geschaffen.  

In der Praxis können immer wieder zwei Phänomene beobachtet werden: Einerseits wird enorm viel Energie und Zeit in die Ausgestaltung der Governance investiert. Nach mehreren Monaten Arbeit steht ein hunderte Seiten umfassendes Dokument, welches jede Eventualität und Sondersachverhalt abbilden soll. Nicht selten zeigt sich im operativen Roll-Out von Prozessdokumentation und Prozesssteuerung, dass ein überreguliertes Bürokratiemonster geschaffen wurde, welches sich an der Maximalanforderung orientiert und über alle Prozesse des Unternehmens ausgerollt wird. Die Anforderungen an einen Treasury-Prozess sind jedoch ganz andere als an den Beschaffungs- oder Reisekostenprozess. Der erforderliche Pragmatismus ist hier verloren gegangen. 

Auf der anderen Seite ist zu beobachten, dass der Governance zu wenig Aufmerksamkeit beigemessen wird. Häufig wird versucht die fachlichen Vorgaben aus den technischen Restriktionen eines Geschäftsprozessmanagement-Systems abzuleiten und „erst mal loszulegen“. Der Governance-Rahmen ergibt sich dann mit der Zeit von selbst – so zumindest die Hoffnung. Dieser Ansatz kann schnell in einem Wildwuchs enden, da sich zwar jeder Prozessmodellierer im Unternehmen an die technischen Systemvorgaben hält, ansonsten jedoch nach “best guess” ohne gemeinsamen fachlichen Rahmen dokumentiert. Ergebnis ist in der Regel ein divergentes und inkonsistentes Rollenmodell, ein unterschiedlicher Detaillierungsgrad der Prozessmodelle und keine einheitliche Verwendung von Systemfeldern oder Abgrenzung einzelner Prozesse. 

Genau diesen Balanceakt muss die Prozess-Governance erfüllen. Die wichtigste Erfahrung aus unseren Projekten ist: die Governance muss zum Unternehmen passen. Ein hochautomatiserter Fertigungsbetrieb braucht einen anderen Ordnungsrahmen als eine Retailbank, ein Spezialfinanzierer oder eine Neo-Bank.  

Handlungsempfehlungen

Aus unserer Sicht sind die wichtigsten Handlungsempfehlungen für jede Governance: 

1. Pilotprozesse identifizieren:

Starten Sie mit einem überschaubaren Nucleus Ihres Prozessmanagements für einen Hauptprozess oder mehrere Teilprozesse, um den passenden Governance-Ansatz für Ihr Unternehmen zu finden. Damit gelingt der Rollout in die Fläche entsprechend einfacher. 

2. Vom Groben ins Detail:

Insbesondere bei der Prozessdokumentation empfiehlt es sich, zunächst alle Unternehmensprozesse auf einem High-Level zu erfassen, um sich nicht schon zu Beginn in Details zu verstricken und schlimmstenfalls den Überblick zu verlieren. 

3. Verbands- und Branchenstandards nutzen:

Man muss nicht immer auf der komplett grünen Wiese anfangen. Etablierte Standards aus der Branche oder von Verbänden geben einen guten Orientierungsrahmen und sind praxiserprobt. Und eben weil sie praxiserprobt sind, sind sie grundsätzlich geeignet auch den Erwartungen externer Prüfer zu entsprechen. 

4. Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zuweisen:

So banal dieser Erfolgsfaktor klingt, so schwierig ist er auch in der Umsetzung. Wir empfehlen, Verantwortlichkeiten frühzeitig festzulegen und zu verteilen, um auch den Erwartungshaltungen der künftigen Verantwortlichen zu entsprechen. Leider beobachten wir immer wieder, dass Prozessverantwortliche keine oder nur geringe Entscheidungsverantwortung im Unternehmen haben. Damit laufen übertragene Aufgabe und Kompetenz auseinander. In den seltensten Fällen funktioniert dies langfristig. 

5. Nicht jeder (Teil-) Prozess ist gleich:

Auch wenn die anfängliche Motivation zum Roll-Out eines Prozessmanagements im Unternehmen groß ist,  jeder Prozess mit Kennzahlen versehen  wurde und über Dashboards gesteuert werden soll − es hilft eine anfängliche Kategorisierung der Prozesse. Die größte Aufmerksamkeit sollte den werttreibenden und mit hohen prozessinhärenten Risiken behafteten sowie den kostenintensiven Prozessen gelten. 

6. Prozessmanagement funktioniert nicht wirklich gut ohne eine entsprechende Softwareunterstützung:

Da ist einerseits das Thema Usability für die Modellierer relevant, anderseits spielt die Verständlichkeit der Prozessmodelle (z.B. BPMN wie oben schon angesprochen) eine Rolle. Im Rahmen eines Unternehmenseinsatzes zählen darüber hinaus Aspekte wie die einfache, unternehmensweite Publikation, z.B. über ein Portal, aber auch Qualitäts- und Governancefeatures, wie z.B. Workflows, Review Notes, Audit Trail, Modeling Rules. Wichtig für den Erfolg sind nicht einfach viele Prozessbilder, sondern ein navigierbares, verständliches und aktuelles Gesamtmodell mit einem relevanten Detailgrad wie Hopex.  

Erfahren Sie in unseren nächsten Beiträgen, was die Herausforderungen und Erfolgsfaktoren bei der Implementierung der nächsten Entwicklungsstufen eines Prozessmanagements sind. Bleiben Sie neugierig!  

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